Das „neue“ Kaufrecht

Seit dem 01.01.2022 ist das „neue“ Kaufrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in Kraft getreten. Hierdurch soll das über 100 Jahre alte BGB an das digitale Zeitalter angepasst werden. Die Neuregelungen sind der Umsetzung zweier EU-Richtlinien geschuldet: der Warenkauf-RL (EU) 2019/771 und der Digitale-Inhalte-Richtlinie (EU) 2019/770.

Im folgenden Beitrag werden die wichtigsten und praxisrelevantesten Änderung kurz zusammengefasst. Die meisten gesetzlichen Änderungen und Anpassungen betreffen den Bereich der Verbraucherverträge, d.h. Verträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher. Im Bereich der Verbrauchsgüterkäufe – Verträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher über bewegliche Sachen – sind abweichende Vereinbarungen zulasten des Verbrauchers (z.B. in AGB) grundsätzlich unzulässig.

1. Neuer Sachmangelbegriff

Gemäß § 434 Abs. 1 BGB n.F. ist eine Sache frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven Anforderungen (Beschaffenheitsvereinbarung), den objektiven Anforderungen (Branchenüblichkeit und Kundenerwartung) und den Montageanforderungen entspricht. Das heißt, alle Anforderungen müssen kumulativ vorliegen. Nach § 434 BGB a.F. war eine Sache bereits dann frei von Sachmängeln, wenn allein die subjektiven Anforderungen vorlagen. Die objektiven Anforderungen wurden erst bei fehlenden oder unzureichenden subjektiven Anforderungen relevant.

Grundsätzlich kann zwar vereinbart werden, dass die objektiven Anforderungen nicht maßgeblich sein sollen, sondern dass es allein auf die subjektiven Anforderungen ankommen soll. Im Verhältnis zu Verbrauchern ist eine solche Vereinbarung jedoch nur unter strengsten Voraussetzungen möglich. So muss der Verbraucher vor Abgabe seiner Vertragserklärung, d.h. im Rahmen einer vorvertraglichen Informationspflicht, eigens und gesondert davon in Kenntnis gesetzt werden, dass ein bestimmtes Merkmal der Ware von den objektiven Anforderungen abweicht. Zusätzlich muss diese Abweichung anschließend im Vertrag selbst nochmals ausdrücklich vereinbart worden sein (vgl. § 476 Abs. 1 S. 2 BGB).

2. Ware mit digitalen Elementen

Des Weiteren wurde der Begriff der „digitalen Produkte“ in § 327 Abs. 1 S. 1 BGB sowie der Begriff der „Sachen mit digitalen Elementen“ in § 327a Abs. 1 S. 1 BGB eingeführt und dort jeweils auch legal definiert. Der Begriff „digitale Produkte“ umfasst alle digitalen Inhalte oder digitalen Dienstleistungen, die ein Unternehmer gegen Zahlung eines Preises bereitstellt. Verträge über Sachen mit digitalen Elementen sind solche, die neben der Bereitstellung digitaler Produkte die Bereitstellung anderer Sachen oder Dienstleistungen zum Gegenstand haben. In den §§ 327 ff., 475a ff. BGB ist ein eigenes Leistungsstörungsrecht für diese digitalen Produkte und Elemente insbesondere für Verbraucherverträge enthalten, welches den gleichen Grundsätzen wie das Leistungsstörungsrecht im Kaufrecht über bewegliche Sachen folgt, jedoch an die Besonderheiten der digitalen Welt angepasst ist.

Anwendbar sind diese Vorschriften beispielsweise auf reine Software-Anwendungen aber auch auf Smart-Homes, Smart-TVs oder „intelligente Fahrzeuge“ und Ähnliches. Als Besonderheit zum allgemeinen kaufrechtlichen Gewährleistungsrecht sieht der Gesetzgeber eine Updatepflicht des Unternehmers gegenüber dem Verbraucher vor, soweit diese vereinbart oder üblicherweise zu erwarten ist.

Für die Bestimmung des anwendbaren Gewährleistungsrechts ist zu fragen, wo der Mangel liegt. Befindet sich der Mangel an der Sache selbst, ist das allgemeine kaufrechtliche Gewährleistungsrecht anzuwenden. Befindet sich der Mangel hingegen an den enthaltenen oder verbundenen digitalen Produkten so finden die besonderen Vorschriften der §§ 327 ff. und §§ 475a ff. BGB Anwendung.

3. Änderungen im Gewährleistungsrecht

Auch das Gewährleistungsrecht wurde für Verträge ab dem 01.01.2022 angepasst.

Gem. § 442 Abs. 1 BGB sind die Gewährleistungsrechte des Käufers ausgeschlossen, wenn er bei Vertragsschluss Kenntnis vom Mangel hatte. Dies gilt seit dem 01.01.2022 nun nicht mehr uneingeschränkt. Im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufvertrages kann der Verbraucher aufgrund des veränderten § 475 Abs. 3 S. 2 BGB nunmehr Gewährleistungsrechte geltend machen, selbst wenn er den Mangel bereits bei Vertragsschluss kannte.

Darüber hinaus wurde auch die Beweislastumkehr im Rahmen von Verbrauchsgüterkäufen gem. § 477 Abs. 1 BGB verändert. Seit dem 01.01.2022 gilt: Zeigt sich innerhalb eines Jahres seit Gefahrübergang ein Mangel, so wird vermutet, dass die Ware bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war. Bis zum 31.12.2021 galt diese Vermutung nur für einen Zeitraum von 6 Monaten seit Gefahrübergang.

Außerdem wurde Verbrauchern der Rücktritt von Kaufverträgen mit Unternehmern wegen eines Mangels bzw. die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen erleichtert. Für Verträge bis zum 31.12.2021 galt, dass der Verbraucher den Unternehmer vor Rücktritt oder Schadensersatzverlangen eine angemessene Frist zur Nacherfüllung setzen musste. Seit dem 01.01.2022 ist es seitens des Verbrauchers ausreichend, dass er den Unternehmer über den Mangel unterrichtet, d.h. ihn in irgendeiner Weise von dem entsprechenden Mangel in Kenntnis setzt. Sodann beginnt gem. § 475d Abs. 1 Nr. 1 BGB automatisch eine angemessene Frist zur Nacherfüllung zu laufen, ohne dass diese explizit vom Verbraucher gesetzt werden müsste. Wird der Unternehmer innerhalb dieser Frist nicht tätig, kann der Verbraucher sofort vom Vertrag zurücktreten oder nach § 475d Abs. 2 BGB Schadensersatz verlangen. Folglich sollten Unternehmer, sobald ihnen ein Verbraucher einen Mangel anzeigt – egal in welcher Form – tätig werden, um ihr sog. Recht zur zweiten Andienung nicht vorzeitig allein wegen Untätigkeit zu verlieren.

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