Das Supervermächtnis

Ehegatten, die ein Testament errichten, sorgen sich häufig darum, dass der überlebende Ehegatte auch nach dem Tod des Erstversterbenden ausreichend finanziell abgesichert ist. Aus diesem Grund greifen Ehegatten regelmäßig auf das sog. „Berliner Testament“ zurück. Beim Berliner Testament wird zunächst der überlebende Ehegatte als Alleinerbe und als Schlusserben sodann die gemeinschaftlichen Kinder eingesetzt. Durch eine solche testamentarische Gestaltung soll der überlebende Ehegatte wirtschaftlich handlungsfähig bleiben, gleichzeitig soll aber sichergestellt werden, dass die gemeinsamen Kinder als Schlusserben bedacht werden.

Dieser Gestaltungswunsch steht allerdings nicht selten im Widerstreit mit dem Wunsch, Erbschaftssteuer zu sparen und die hohen Freibeträge bei Übertragungen von Eltern auf Kinder – derzeit immerhin EUR 400.000 pro Kind und Elternteil – optimal auszunutzen. Wird der überlebende Ehegatte – wie regelmäßig beim Berliner Testament – als Alleinerbe eingesetzt, werden die steuerlichen Freibeträge der Kinder beim Tod des Erstversterbenden quasi verschenkt, was bei größeren Vermögen zu einer deutlich höheren Erbschaftsteuer führt. Was also tun, um dem Erstversterbenden nicht die Entscheidungshoheit zu nehmen, dem Fiskus aber trotzdem die Erbschaftsteuer streitig zu machen?

Die Lösung bietet das sogenannte „Supervermächtnis“.

Im Wege eines Vermächtnisses können Immobilien, Gegenstände oder auch Geldbeträge anderen Personen als den Erben überlassen werden. Die bedachten Personen werden dann nicht Erbe, haben aber gegen den Erben einen Anspruch auf Übertragung des Vermächtnisgegenstandes.

So könnte bei einem Berliner Testament z.B. der überlebende Ehegatte, der als Alleinerbe eingesetzt worden ist, mit der Verpflichtung belastet werden, an die gemeinsamen Kinder zur Ausnutzung der steuerlichen Freibeträge eine bestimmte Geldsumme als Vermächtnis zu zahlen. Durch eine solche Gestaltung können steuerliche Freibeträge schon beim Tod des Erstversterbenden ausgenutzt werden.

Das sog. Supervermächtnis geht aber noch einen Schritt weiter. Bei dem Supervermächtnis handelt es sich um ein sog. Zweckvermächtnis, das in § 2156 BGB geregelt ist. Bei einem Zweckvermächtnis können die Bestimmung des Vermächtnisses und der Vermächtnisgegenstand von dem Erben, beim Berliner Testament also vom überlebenden Ehegatten, frei bestimmt werden. Das Zweckvermächtnis gesteht dem Überlebenden das Bestimmungsrecht zu, eine von ihm geschuldete Leistung selbst zu bestimmen und festzulegen, wer sie wann erhalten soll. Dabei kann er den Gegenstand, die Höhe, die Bedingungen und den Leistungszeitpunkt des zu erbringenden Vermächtnisses innerhalb bestimmter Grenzen selbst festlegen. Durch ein Supervermächtnis können somit einerseits die steuerlichen Freibeträge bestmöglich ausgenutzt werden, ohne andererseits die wirtschaftliche Selbstständigkeit des überlebenden Ehegatten zu gefährden.

Eigentlich klingt das ein bisschen zu schön, um wahr zu sein, da das Steuerrecht solche Gestaltungsvorschläge regelmäßig mit dem Hinweis auf Gestaltungsmissbrauch gemäß § 42 AO torpediert und somit der gewünschte Steuerspareffekt nicht eintritt. Aus diesem Grund sind bei der Formulierung eines sog. Supervermächtnisses einige Fallstricke zu beachten.

So steht der Anerkennung eines Zweckvermächtnisses z.B. entgegen, wenn der Zweck des Vermächtnisses nur unzureichend formuliert ist (wie z.B. „die Erfüllung je nach Finanzbedarf des Bedachten“ oder „um ihm eine Freude zu machen“). Zulässige Zwecke sind dagegen z.B. die Unterstützung eines Studiums, einer Reise oder ähnliches, aber auch z.B. die Ausnutzung der erbschaftssteuerlichen Freibeträge. Bei Letzterem dient das Zweckvermächtnis ausschließlich dem anerkannten Zweck, den Kindern als Vermächtnisnehmern das Sparen von Erbschaftsteuer durch die Ausnutzung der erbschaftssteuerlichen Freibeträge zu ermöglichen.

Auch sollten zur steuerlichen Wirksamkeit zwingend Regelungen zur Fälligkeit des Vermächtnisses mit aufgenommen werden.

Aufgrund der rechtlichen und steuerlichen Komplexität ist daher zu empfehlen, ein gemeinschaftliches Testament mit Supervermächtnis notariell entwerfen und beurkunden zu lassen. Dies spart unter dem Strich regelmäßig auch Kosten, da durch ein notarielles gemeinschaftliches Testament zwei Erbscheinsverfahren vermieden werden können.

Was genau passiert nun aber im Rahmen der Erbschaftsbesteuerung? Im Erbfall entsteht in der Regel die Steuer bei Erwerb von Todes wegen mit dem Tode des Erblassers. Werden jedoch im Testament aufschiebend bedingte Ereignisse festgelegt, z.B. der Anspruch auf ein Vermächtnis erst bei Hochzeit eines Kindes, tritt die Bedingung, die zur Besteuerung dieses Erwerbes führt, erst mit Eintritt der Bedingung, also bei unserem Beispiel bei Hochzeit des Kindes ein. Als Folge versteuert der Vermächtnisnehmer das Vermächtnis erst bei Eintritt der Bedingung. Der Erbe muss zunächst die volle Erbschaft ohne Abzug des Vermächtnisses der Erbschaftsteuer unterwerfen. Nach Eintritt der Bedingung wird der Erbschaftsteuerbescheid rückwirkend geändert und das Vermächtnis als Schuld des Erben berücksichtigt. Diese Gestaltung hat einen großen Liquiditätsnachteil, da der Erbe zunächst die volle Erbschaftsteuer entrichten muss. Eine derartige Gestaltung ist daher nicht optimal und sollte, wenn möglich, vermieden werden.

Bei einer guten Testamentsgestaltung muss das Vermächtnis deshalb zu einem bestimmten Zeitpunkt fällig gestellt werden. Es muss klar aus dem Testament hervorgehen, wann der Vermächtnisnehmer Anspruch auf das Vermächtnis hat. Denn die Finanzverwaltung sieht es als Gestaltungsmissbrauch an, wenn ein Vermächtnis erst beim Tod des Letztversterbenden fällig wird. Deshalb ist bei der Gestaltung des Supervermächtnisses darauf zu achten, dass die Fälligkeit des Vermächtnisses terminiert wird. Die Fälligkeit darf nicht mit dem Tod des beschwerten Erben in Zusammenhang stehen.

Eine rechtswirksame Gestaltung ist aber regelmäßig unproblematisch. Da der Erbe die Art und Höhe des Vermächtnisses selbst bestimmt, hat er sich in der Regel bei Festlegung des Vermächtnisses bereits Gedanken darüber gemacht, ob er dieses Vermögen benötigt oder nicht. Eine vom Erblasser vereinbarte Fälligkeit des Vermächtnisses rundet die Gestaltung des Testamentes lediglich ab und bringt den Erben nicht ungewollt in finanzielle Engpässe. So empfiehlt sich beispielsweise, dem Testament eine äußerste Zeitgrenze für die Fälligkeit zu geben, oder besser, einen bestimmten Zeitpunkt, z.B. ein Jahr nach Todesfall des erstversterbenden Ehegatten. Dieser Fälligkeitstermin ist für den Erben ohne Bedeutung, wenn er sich dazu entscheidet, überhaupt kein Vermächtnis festzusetzen, da dann keine Zahlungen zu leisten sind.

Ein Berliner Testament mit einer Regelung zum Supervermächtnis ist nicht nur für Superreiche, sondern bereits bei mittleren bis gehobenen Vermögensverhältnissen interessant. Haben z.B. beide Ehegatten jeweils ein Vermögen im Wert von € 400.000,00 und setzten sich gegenseitig zu Alleinerben und das einzige Kind als Schlusserben ein, ergeben sich ohne Supervermächtnis folgende Auswirkungen:

Stirbt der Vater, wird die Mutter Alleinerbin von                                    € 400.000,00,

sie selbst hat einen Freibetrag in Höhe von                                            € 500.000,00,

sodass bei ihr keine Erbschaftsteuer anfällt. Verbraucht sie von

dem ererbten und eigenen Vermögen nichts bis zu ihrem eigenen

Tod, erbt das gemeinsame Kind nach ihrem Tod insgesamt                 € 800.000,00

nach Abzug des Freibetrages des Kindes in Höhe von                     ./.  € 400.000,00

verbleibt ein erbschaftssteuerlicher Erwerb des Kindes in Höhe von   € 400.000,00.

Die Erbschaftssteuerbelastung beträgt in diesem Fall 15%, so dass von dem ererbten Vermögen Erbschaftsteuer in Höhe von € 60.000,00 anfällt.

Bei der Festlegung eines Supervermächtnisses hätte die Mutter nach dem Tod des Vaters entscheiden können, dem Kind beispielsweise € 400.000,00 als Vermächtnis zukommen zu lassen. Das Kind hätte den Freibetrag für den Erwerb vom Vater geltend machen können, somit wäre keine Erbschaftsteuer angefallen. Verstirbt die Mutter, kann das Kind den Freibetrag für die Mutter ebenfalls geltend machen, so dass in unserem Beispiel bei beiden Todesfällen für das Kind überhaupt keine Erbschaftsteuer anfallen würde.

Auch wenn das Supervermächtnis von der steuerlichen Rechtsprechung derzeit akzeptiert wird, ist in der steuerrechtlichen Literatur ist nicht gänzlich umumstritten, ob ein solches Supervermächtnis erbschaftssteuerlich anzuerkennen ist. Ein Wechsel der Rechtsprechung in der Zukunft kann also nicht gänzlich ausgeschlossen werden.

Will man bei der Testamentsgestaltung auf Nummer sicher gehen, darf die Entscheidung über Höhe, Fälligkeit und Bestimmung des Vermächtnisnehmers nicht dem überlebenden Ehegatten überlassen werden, sondern ist bereits im Testament der Höhe nach festzulegen festzulegen.

In jedem Fall sollte vor Beurkundung eines Berliner Testaments mit Supervermächtnis noch einmal ein Steuerberater konsultiert werden. Für weitergehende Erläuterungen stehen Ihnen unsere Notare gerne zur Verfügung.