Klagen im „Abgasskandal“ gegen Verkäufer und Hersteller; Gerichte stärken die Rechte der Kunden

In immer mehr Fahrzeugreihen der verschiedensten Hersteller wurde eine unzulässige Abschalteinrichtung aufgefunden. Was mit VW begann, betrifft nunmehr ebenfalls andere große namenhafte Hersteller wie Audi und jüngst Porsche.

Zahlreiche Gerichte haben sich seit Aufkommen des „Abgas-Skandals“ mit den verschiedenen in Frage kommenden Anspruchsgrundlagen und Voraussetzungen zu befassen.  So wundert es nicht, dass der Ausgang des Verfahrens in der Regel von dem jeweiligen Gerichtsbezirk abhängig war. Erkennbar ist, dass sich weiter eine verbraucherfreundliche Rechtsprechung herausbildet.

Um aber das Problem der noch teilweise erheblich auseinanderliegenden Rechtsansichten der erstinstanzlichen Gerichte zu lösen und Rechtssicherheit zu schaffen, wird auf eine Entscheidung der Oberlandesgerichte gewartet. Bislang blieb diese aus. Die Strategie der erstinstanzlich unterlegenen Automobilverkäufer und Automobilhersteller:

zur Vermeidung eines rechtskräftigen Urteils wurde zunächst Rechtsmittel eingelegt, um sich sodann mit den Klägern zu vergleichen.

Aktuell hat nun erstmalig ein Oberlandesgericht im Sinne der getäuschten Verbraucher Stellung bezogen.

Der 28. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat den Rechtsstreit eines vom sog. „Abgasskandal“ betroffenen Fahrzeuginhabers aus Halver gegen einen beklagten Autohändler aus Holzminden mündlich verhandelt (Az. 28 U 232/16 OLG Hamm).

Die Kernaussagen:

1.       Die Abschaltvorrichtung des Fahrzeugmotors sei als Sachmangel des Fahrzeugs zu beurteilen;

2.       die bislang einzig angebotene Nachbesserung in Form eines Software-Updates könne dem Kunden unzumutbar sein;

3.       es sei von einem erheblichen Fahrzeugmangel auszugehen und

4.       außerdem seien tatsächliche und rechtliche Fragestellungen im Zusammenhang mit der Rechtsfolge eines Rücktritts vom Fahrzeugkauf, der vorliegend als drittfinanziertes Verbundgeschäft von Kauf- und Darlehensvertrag getätigt wurde, zu klären.

Ist Ihr Fahrzeug von dem „Abgas-Skandal“ betroffen, ist in Ihrem Fahrzeug also eine unzulässige Abschaltvorrichtung verbaut, kann aktuell eine Prüfung Ihrer Ansprüche interessant sein. Für Rechtsschutzversicherte beschränkt sich das Kostenrisiko dabei auf den jeweiligen Selbstbeteiligungsanteil.

Haben Sie Ihr Fahrzeug finanziert, können Sie ebenfalls den Kreditvertrag überprüfen lassen, weil die Belehrung fehlerhaft gewesen sein könnte. Auch über diesen Umweg lässt sich der Kaufvertrag rückabwickeln.

Betroffene sollten sich überlegen:

Wollen Sie Ihr Fahrzeug behalten?

In Betracht käme eine Entschädigung in Geld, da der Wiederverkaufswert betroffener Wagen wahrscheinlich sinkt, z. B wegen der Verhängung von Städte-Einfahrtsverboten für Diesel-Pkw. Oder wollen Sie das Auto zurückgeben und den Kaufpreis (aktuell i.d.R. unter Abzug einer Nutzungsentschädigung) erstattet bekommen?

 

Je nach Zielrichtung sind im Wesentlichen folgende Vorgehensweisen möglich:

1. Gewährleistungsrechte

Halter von Fahrzeugen mit den betroffenen Dieselmotoren, z.B. VW – Typ EA 189, haben gegen den Vertragspartner, in der Regel den Händler, innerhalb der Gewährleistungsfrist zunächst einen Anspruch auf Nachbesserung, da das Fahrzeug mangelhaft ist.

Hat der Hersteller Sie angeschrieben, ist der Mangel anerkannt. Sie müssen dann als Käufer nicht mehr aufwendig durch einen Gutachter beweisen, dass auch bei Ihrem Fahrzeug die Abgaswerte im Normalbetrieb erheblich überschritten sind.

Wer den Verkäufer schriftlich zur Nachbesserung aufgefordert hat und immer noch darauf wartet, dass der Konzern die manipulierte Abgassoftware austauscht, kann dann vom Kaufvertrag zurücktreten.

Gerade hierzu hat das OLG Hamm – Az. 28 U 232/16 – aktuell im Rahmens seiner Pressemitteilung den Kunden erheblich den Rücken gestärkt:

In dem das OLG bei der Manipulation der Abgaswerte von einem erhebliche Mangel ausgehen dürfte, bestätigt das Gericht die Möglichkeit des Rücktrittes vom Kaufvertrag. Da die angebotene Nacherfüllung in Form des Software-Updates unzumutbar sein dürfte, wäre auch eine Fristsetzung vor dem Rücktritt entbehrlich.

Haben Sie aber bereits das Software-Update aufspielen lassen und sollte die Nachbesserung nicht gelungen sein, können Sie den Kaufpreis mindern.

Denn:

Ergibt sich nach einem Update, dass der Wagen einen anderen Mangel aufweist, kann der Käufer den Kaufpreis deshalb mindern. Das könnte z.B. dann der Fall sein, wenn sich die Leistung des Motors verschlechtert oder das Fahrzeug infolge der Nachrüstung mehr Kraftstoff verbraucht. Die Höhe der Wertminderung ist schwer zu bestimmen, das Gericht kann sie allerdings schätzen.

 

2. Schadensersatzansprüche gegen den Hersteller

Interessant sind derzeit auch insbesondere die Ansprüche gegen die Hersteller:

Hier gelten längere Verjährungsfristen- unabhängig von der Anschaffung des Fahrzeugs. Ansprüche gegen VW verjähren frühestens Ende 2018.

Einige Gerichte haben bereits entschieden, dass die Manipulation der Motorsteuerung dem Kunden in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Art und Weise einen Schaden zugefügt hat. Insbesondere wurde durch Gerichte bestätigt, dass es sich bei dem Verhalten der Hersteller, um eine verwerfliche, vorsätzliche „Verbrauchertäuschung“ handele.

 

3. Widerruf des Kreditvertrages

Haben Sie Ihr Fahrzeug finanziert oder einen Leasingvertag abgeschlossen?

Aufgrund einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung kann der Widerruf auch außerhalb der regulären 14-tägigen Widerrufsfrist weiterhin möglich sein. Auch der Rücktritt vom Kaufvertrag kann Auswirkungen auf die Finanzierung haben. Bei Autokrediten bzw. bei Leasing, handelt es sich oftmals um ein verbundenes Geschäft, da der Kreditvertrag zusammen mit dem Kaufvertrag beim Händler abgeschlossen wurde.  Damit stehen und fallen die Verträge oft miteinander.

Sowohl bei einem Vorgehen innerhalb der Gewährleistungsfristen gegen den Vertragshändler, als auch danach in direkter Vorgehensweise gegen den Hersteller, gibt es zwischenzeitlich zahlreiche stattgebende Urteile.