Neue Grundsätze zur Behandlung von Gesellschafterdarlehen

Mit dem lange erwarteten Urteil vom 11.7.2017 – IX R 36/15 [VAAAG-58248] hat der BFH sich zur Berücksichtigung des Ausfalls von Gesellschafterdarlehen und zur Inanspruchnahme des Gesellschafters aus zugunsten der Kapitalgesellschaft eingegangenen Bürgschaften als nachträgliche Anschaffungskosten bei § 17 EStG in der ab 2009 geltenden Rechtslage geäußert.

Dem vom BFH entschiedenen und das Streitjahr 2011 betreffenden Fall lag eine typische Finanzierungshilfe des Gesellschafters zugrunde. Es hatte ein (zukünftiger) Alleingesellschafter einer GmbH Bürgschaften anlässlich der Übernahme der Gesellschaftsanteile für die Bankverbindlichkeiten der GmbH übernommen. In der Folge der Insolvenz der GmbH musste er deswegen Zahlungen an die Bank in Höhe von über 140.000 € leisten. Auf der Grundlage der bisherigen Rechtslage begehrte er deren steuerliche Berücksichtigung als nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen der Ermittlung des Auflösungsverlusts nach § 17 Abs. 4 EStG .

Der BFH hat entschieden, dass der Ausfall von Darlehen, die ein Gesellschafter an eine Kapitalgesellschaft gegeben hat, in der ab 2009 geltenden Rechtslage sich steuerlich grundsätzlich nicht mehr auswirkt. Das Gleiche gilt für Aufwendungen des Gesellschafters aus der Inanspruchnahme als Bürge für Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Denn mit der Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.2008 (BGBl 2008 I S. 2026 ) ist die gesetzliche Grundlage für die bisherige Rechtsprechung und Auffassung der Finanzverwaltung, die Aufwendungen des Gesellschafters aus Darlehen und aufgrund von Bürgschaften unter bestimmten Voraussetzungen als nachträgliche Anschaffungskosten steuerlich zum Abzug zugelassen haben, entfallen. Aufwendungen des Gesellschafters aus seiner Inanspruchnahme als Bürge für Verbindlichkeiten der Gesellschaft führen daher grundsätzlich nicht mehr zu nachträglichen Anschaffungskosten auf seine Beteiligung.

Hinweis:
Aufgrund der erheblichen Auswirkungen auf die in der Praxis üblichen Finanzierungsmaßnahmen bei Kapitalgesellschaften hat der BFH eine Vertrauensschutzregelung getroffen. Danach sind die bisherigen Grundsätze zur steuerlichen Berücksichtigung von Gesellschafterdarlehen und Bürgschaftsverlusten für bis zum Tag dieses Urteils geleistete oder eigenkapitalersetzend gewordene Finanzierungshilfen weiter anzuwenden. Erst für die ab Veröffentlichung der Entscheidung (27.9.2017) vereinbarten Darlehen und Bürgschaften gelten die neuen Grundsätze.

Der Kommentar
Seit dem Jahr 2009 war unklar, wie in steuerlicher Hinsicht mit dem Ausfall von Gesellschafterdarlehen oder der Inanspruchnahme des Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft aus Bürgschaften als nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 EStG umzugehen war. Seinerzeit hatte der Gesetzgeber mit der Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG die bisherigen gesellschaftsrechtlichen Grundsätze zur Behandlung von Gesellschafterdarlehen aufgehoben und Gesellschafterdarlehen im Insolvenzrecht grundsätzlich als nachrangig eingeordnet (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO ).

Die Finanzverwaltung hatte mit BMF-Schreiben vom 21.10.2010 (BStBl 2010 I S. 832 ) den Finanzämtern zunächst die Weitergeltung der bisherigen Grundsätze

NWB Nr. 40 vom 02.10.2017   – 3041 –

vorgegeben. Für die Beurteilung, ob eine Finanzierungshilfe durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst war, wird danach darauf abgestellt, ob diese eigenkapitalersetzend war. Dies ist der Fall, wenn der Gesellschafter der Gesellschaft zu einem Zeitpunkt, in dem ihr die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute nur noch Eigenkapital zugeführt hätten (Krise der Gesellschaft), stattdessen ein Darlehen gewährt, eine Bürgschaft zur Verfügung gestellt oder eine andere wirtschaftlich entsprechende Rechtshandlung vorgenommen hatte. Zur Bewertung der ausgefallenen Forderung hat der BFH zwischen Darlehen und Bürgschaften, die in der Krise der Gesellschaft hingegeben oder von vornherein in die Finanzplanung der Gesellschaft einbezogen waren und solchen Finanzierungshilfen unterschieden, die erst aufgrund des Eintritts der Krise den Status einer eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfe erlangt haben. Fiel der Gesellschafter mit einer von vornherein eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfe aus, führt dies zu nachträglichen Anschaffungskosten in Höhe des Nennwerts des ausgefallenen Anspruchs. Im anderen Fall war nur der im Zeitpunkt des Eintritts der Krise beizulegende Wert zu berücksichtigen.

Im Schrifttum war die Frage umstritten und es bestand kein einheitliches Meinungsbild (vgl. u. a. Greil/Wargowske in Kanzler/Kraft/Bäuml, EStG, 2. Aufl., § 17 Rn. 290 ff.; Kirchhof/Gosch, EStG, 16. Aufl., § 17 Rn. 95; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 36. Aufl., § 17 Rn. 174; Littmann/Bitz/Pust/Rapp, EStG, § 16 Rn. 212a; Levedag, GmbHR 2010 S. 1230; Heuermann, NZG 2009 S. 841; Graw, Ubg 2014 S. 251; Bode, DStR 2009 S. 1781; Weng, StuB 6/2012 S. 233 ; Schwedhelm/Olbing/Binnewies GmbHR 2009 S. 1233, 1237; Hölzle, DStR 2007 S. 1185, 1190). Diskutiert wurde u. a., ob die bisherigen Grundsätze zur Behandlung eigenkapitalersetzender Darlehen als eigenständige steuerliche Grundsätze weiter Geltung besitzen, ob insolvenzrechtliche Grundsätze Anwendung finden, ob allein auf die gesellschaftsrechtliche Veranlassung abzustellen ist, ob nunmehr sämtliche Darlehensverluste und Bürgschaftsinanspruchnahmen zu nachträglichen Anschaffungskosten führen, ob auf die Grundsätze eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters abzustellen ist oder ob die Lösung über die Berücksichtigung der Aufwendungen bei § 20 Abs. 2 EStG zu suchen ist.

Die von der Praxis seit langem erwartete Entscheidung des BFH kann daher nicht zuletzt wegen der Klärung dieser Frage als „Meilenstein“ im Rahmen der Berücksichtigung von Veräußerungs- und Auflösungsverlusten bei § 17 EStG bezeichnet werden und hat große Auswirkung auf die Finanzierung von Kapitalgesellschaften durch Gesellschafterdarlehen und die Absicherung von Darlehen durch Bürgschaften des Gesellschafters. Die in unterschiedliche Fallgruppen und auf den Eintritt der Krise der Gesellschaft abstellende und die Rechtslage bis 2008 betreffende (frühere) Rechtsprechung des BFH hat in der Folge der gesetzlichen Änderungen (zukünftig) keine Bedeutung mehr.

Mit der Entscheidung stellt der BFH einen Gleichklang bei der handelsrechtlichen, gesellschaftsrechtlichen und steuerlichen Behandlung von Gesellschafterdarlehen her. Damit leistet er einen erheblichen Beitrag zur Rechtsvereinfachung, weil die Berücksichtigung von Aufwendungen für Darlehens- und Bürgschaftsverluste zukünftig klaren und eindeutigen und damit einfach handhabbaren Gesichtspunkten folgt.

Hinweis:
Bei Gründung der Gesellschaft und bei Stärkung der Finanzsituation der Gesellschaft ist daher zukünftig sorgfältig abzuwägen, ob der Weg des Gesellschafterdarlehens beschritten werden soll. Denn entscheidet sich zukünftig der Gesellschafter, der Gesellschaft Fremdkapital zur Verfügung zu stellen und fällt er später wegen Insolvenz der Gesellschaft aus, kann er den Darlehensverlust steuerlich grundsätzlich nicht mehr geltend machen. Gleiches gilt für Zahlungen, die er auf eine zugunsten der Kapitalgesellschaft hingegebene Bürgschaft leistet.

Anders ist die Rechtslage nach Auffassung des BFH hingegen, wenn der Gesellschafter sich bei Hingabe der Geldmittel nicht für eine Fremdfinanzierung durch ein Gesellschafter- oder Bankdarlehen, sondern für Stärkung der Kapitalbasis der Gesellschaft durch eine Kapitalerhöhung oder eine Zahlung in die Kapitalrücklage entschieden hat. Dann sind die Aufwendungen, die handelsrechtlich als offene oder verdeckte Einlage in das Kapital der Gesellschaft einzuordnen sind, als nachträgliche Anschaffungskosten berücksichtigungsfähig. Gleiches gilt, wenn die vom Gesellschafter gewährte Fremdkapitalhilfe aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen (z. B. eines Rangrücktritts i. S. des § 5 Abs. 2a EStG ) mit der Zuführung einer Einlage in das Gesellschaftsvermögen wirtschaftlich vergleichbar ist.

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