Der Gesetzgeber hat eine Neuregelung zur Verlustverrechnung bei Kapitalgesellschaften getroffen. Damit kann unter bestimmten Voraussetzungen ein Verlustuntergang bei einer Anteilsübertragung von mehr als 25 % rückwirkend ab dem 1.1.2016 verhindert werden. Allerdings dürfen dann künftig bestimmte Maßnahmen nicht durchgeführt werden.
Hintergrund: Der Verlustvortrag einer Kapitalgesellschaft geht nach dem Gesetz teilweise oder vollständig unter, wenn mehr als 25 % der Anteile an der Kapitalgesellschaft innerhalb von fünf Jahren an einen Erwerber übertragen werden (sog. Mantelkauf). Hierdurch soll verhindert werden, dass Unternehmen ihre Steuern minimieren, indem sie „fremde“ Verluste nutzen. Ausnahmen gelten für Anteilsübertragungen innerhalb eines Konzerns und für Kapitalgesellschaften, die stille Reserven in Höhe des betroffenen Verlustvortrags haben.
Neuregelung: Der Gesetzgeber hat erkannt, dass die Regelung zum Verlustuntergang in vielen Fällen Kapitalgesellschaften behindert, insbesondere wenn es sich um junge Unternehmen handelt, die neues Kapital durch die Aufnahme neuer Gesellschafter benötigen. Denn dann kann es zu einer Anteilsübertragung von mehr als 25 % kommen. Die Neuregelung hat folgenden Inhalt:
1. Voraussetzungen
In den drei Jahren vor dem Beginn des Jahres, in dem die Anteilsübertragung erfolgt ist, und bis zum 31.12. des Anteilsübertragungsjahres muss die Kapitalgesellschaft denselben Geschäftsbetrieb unterhalten haben und darf keine der folgenden Maßnahmen durchgeführt haben:
n Der Geschäftsbetrieb darf weder geruht haben, noch darf er eingestellt worden sein.
Hinweis: Diese Regelung ist relativ kompliziert, weil sie verschiedene Besonderheiten aufweist. So ist zu beachten, dass eine Einstellung bzw. ein Ruhen des Geschäftsbetriebs zu irgendeinem Zeitpunkt vor dem 1.1.2016 die Neuregelung von vornherein ausschließt. Hat der Geschäftsbetrieb also im Jahr 2010 geruht, gilt die Neuregelung nicht. Kommt es hingegen erst ab dem 1.1.2016 zu einer Einstellung oder einem Ruhen des Geschäftsbetriebs, ist die Neuregelung nur anwendbar, wenn der Drei-Jahres-Zeitraum eingehalten wird: Die Einstellung oder das Ruhen des Geschäftsbetriebs darf also nicht in den drei Jahren vor dem Beginn des Jahres, in dem die Anteile übertragen worden sind, erfolgt sein. Selbst wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, sind in jedem Fall die Verluste aus dem Zeitraum vor der Einstellung bzw. dem Ruhen des Geschäftsbetriebs von der Neuregelung ausgeschlossen.
n Es darf kein Branchenwechsel durchgeführt und es darf kein zusätzlicher Geschäftsbetrieb aufgenommen worden sein.
n Die Kapitalgesellschaft darf weder als Mitunternehmerin an einer Personengesellschaft beteiligt gewesen sein, noch darf sie Organträgerin im Rahmen einer Organschaft gewesen sein.
Hinweis: Schädlich ist es insoweit nicht nur, wenn es innerhalb des Drei-Jahres-Zeitraums zu einer Beteiligung als Mitunternehmerin oder zur Begründung einer Stellung als Organträgerin kommt. Es darf bereits am 1.1. des dritten Jahres vor dem Anteilsübertragungsjahr keine Mitunternehmer- oder Organträgerstellung bestanden haben.
n Außerdem dürfen auf die Kapitalgesellschaft keine stillen Reserven übertragen worden sein, also Wirtschaftsgüter zu einem Wert unterhalb des gemeinen Wertes.
Hinweis: Zu einer solchen Übertragung zum Buch- oder Zwischenwert kann es insbesondere bei einer Umwandlung kommen. Soll die Neuregelung genutzt werden, müssen die übertragenen Wirtschaftsgüter bei einer Umwandlung also mit dem gemeinen Wert angesetzt werden.
2. Antrag auf Feststellung des fortführungsgebundenen Verlustvortrags
Die Kapitalgesellschaft muss in ihrer Steuererklärung einen Antrag stellen, wenn sie von der Neuregelung Gebrauch machen will. Es handelt sich also um ein Wahlrecht. Der Antrag darf nur einheitlich für die Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer ausgeübt werden.
3. Feststellung des fortführungsgebundenen Verlustvortrags
Liegen die o. g. Voraussetzungen vor, stellt das Finanzamt den fortführungsgebundenen Verlustvortrag in der Höhe fest, in der er sich ohne Anteilsübertragung zum 31.12. des Anteilsübertragungsjahres ergeben würde.
Hinweis: Als fortführungsgebunden festgestellt wird damit auch der gesamte Verlust des Anteilsübertragungsjahres. Im Übrigen kommt es nicht darauf an, ob der Verlust ganz oder teilweise untergegangen wäre. Auch bei einer Anteilsübertragung von 40 %, die zu einem Verlustuntergang von 40 % geführt hätte, setzt sich der fortführungsgebundene Verlustvortrag also aus dem vollständigen Verlustvortrag zum 31.12. des Vorjahres und aus dem vollständigen Verlust des Anteilsübertragungsjahres zusammen.
4. Untergang des fortführungsgebundenen Verlustvortrags
Der fortführungsgebundene Verlustvortrag geht unter, wenn es in irgendeinem Folgejahr zu einem der in Abschnitt 1 genannten Ereignisse kommt, also z. B. der Geschäftsbetrieb eingestellt wird oder sich die Kapitalgesellschaft als Mitunternehmerin an einer Personengesellschaft beteiligt.
Hinweis: Hierfür gibt es keine Frist. Daher wäre eine Einstellung des Geschäftsbetriebs selbst nach zwölf Jahren schädlich. Unschädlich ist das Ereignis jedoch dann, wenn der fortführungsgebundene Verlustvortrag bereits mit Gewinnen vollständig verrechnet worden und somit aufgebraucht worden ist.
Kommt es zu einem schädlichen Ereignis und ist der fortführungsgebundene Verlustvortrag noch nicht vollständig aufgebraucht, bleibt der Verlustvortrag aber erhalten, soweit die Kapitalgesellschaft am 31.12. des Jahres, das vor dem schädlichen Ereignis liegt, über stille Reserven verfügte.
5. Anwendungsbereich
Die Neuregelung gilt sowohl für den körperschaftsteuer-lichen als auch für den gewerbesteuerlichen Verlustvortrag; außerdem wird auch noch der sog. Zinsvortrag erfasst.
Zeitlich ist die Neuregelung bereits ab 1.1.2016 anwendbar. Dies gilt allerdings nicht, wenn der Geschäftsbetrieb der Kapitalgesellschaft irgendwann einmal vor dem 1.1.2016 geruht hat oder eingestellt gewesen ist (s. oben unter 1).
Hinweise: Die Neuregelung muss nicht in jedem Fall vorteilhaft sein. Bevor der Antrag auf Anwendung der Neuregelung gestellt wird, sollte eine steuerliche Prognoseplanung aufgestellt werden, bei der auch die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines schädlichen Ereignisses berücksichtigt wird.