Steuerbefreiung für das Familienheim

Die Erbschaftsteuerbefreiung für ein selbstgenutztes Haus („Familienheim“) gilt auch dann, wenn der Erbe erst nach mehr als einem halben Jahr nach dem Erbfall das Haus selbst nutzt. Er muss allerdings darlegen, weshalb er das Haus nicht früher nutzen konnte. Die Steuerbefreiung für ein Familienheim erfasst auch den Miteigentumsanteil am Familienheim, den der Erbe erst im Rahmen einer Erbauseinandersetzung erhalten hat.

Hintergrund: Ein sog. Familienheim kann steuerfrei vererbt werden. Unter einem Familienheim versteht das Gesetz eine Immobilie, die der Erblasser bis zu seinem Tod zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat – oder aus zwingenden Gründen nicht selbst nutzen konnte – und beim Erben unverzüglich zur Selbstnutzung vorgesehen ist. Kindern wird die Steuerbefreiung nur soweit gewährt, wie die Wohnfläche der Immobilie 200 qm nicht übersteigt.

Streitfall: Der Kläger und seine Schwester erbten von ihrem Vater mehrere Immobilien, darunter ein Zweifamilienhaus, das von der Schwester und dem Vater bis zu dessen Tod Ende 2010 bewohnt wurde. Ende 2011 zog die Schwester aus der Doppelhaushälfte aus und der Kläger ein. Im März 2012 kam es zur Erbauseinandersetzung zwischen Kläger und Schwester, aufgrund derer der Kläger das Zweifamilienhaus, die Schwester die übrigen Immobilien erhielt. Das Finanzamt gewährte die Steuerbefreiung für Familienheime nur zu 50 % der selbstgenutzten Doppelhaushälfte im Umfang der Erbquote des Klägers.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:

  • Die Steuerbefreiung war dem Grunde nach zu gewähren, weil die Doppelhaushälfte vom Erblasser selbst genutzt worden war und auch vom Kläger unverzüglich zur Selbstnutzung bestimmt war und auch tatsächlich selbstgenutzt wurde.
  • Zwar ist für eine „unverzügliche“ Selbstnutzung grundsätzlich eine Selbstnutzung innerhalb von sechs Monaten nach dem Tod des Erblassers erforderlich.
  • Eine spätere Selbstnutzung kann aber unschädlich sein, wenn der Erbe nachvollziehbar glaubhaft macht, wann er sich zur Selbstnutzung entschlossen hat und weshalb er unverschuldet nicht früher einziehen konnte. Unschädlich ist es bspw., wenn sich der Einzug verzögert, weil – wie im Streitfall – noch eine Erbauseinandersetzung läuft oder bei einer Renovierung gravierende Baumängel entdeckt werden, die noch beseitigt werden müssen.
  • Die Steuerbefreiung erstreckt sich nicht nur auf die Erbquote von 50 % an dem Haus, sondern gilt für den Wert der gesamten Doppelhaushälfte, also auch für die weiteren 50 %, die der Kläger im Rahmen der Erbauseinandersetzung erhalten hat. Dies folgt aus einer gesetzlichen Regelung, nach der der Miterbe, der im Rahmen einer Erbauseinandersetzung steuerbefreites Vermögen erwirbt, so behandelt wird, als ob er von Anfang an steuerbefreites Vermögen erhalten hat. Hierfür ist nicht erforderlich, dass die Erbauseinandersetzung innerhalb von sechs Monaten erfolgt.

Hinweise: Die Schwester kann für ihre Erbquote an der Doppelhaushälfte keine Steuerbefreiung verlangen. Diese steht allein ihrem Bruder zu, weil er 50 % der selbstgenutzten Doppelhaushälfte geerbt und weitere 50 % im Rahmen der Erbauseinandersetzung hinzuerworben hat. Das Gesetz ermöglicht damit einen sog. Begünstigungstransfer unter den Miterben. Dem Erben werden nicht andere Eigentumsanteile zugerechnet, sondern es erhöht sich lediglich die Bemessungsgrundlage für die Steuerbefreiung.

Das Urteil ist positiv, weil eine Erbauseinandersetzung nicht innerhalb von sechs Monaten gefordert wird. Der BFH widerspricht insoweit der Finanzverwaltung. Allerdings sollte beachtet werden, dass der Erbe, der die Steuerbefreiung für ein Familienheim in Anspruch nehmen will, die Beweislast dafür trägt, dass eine Selbstnutzung innerhalb von sechs Monaten nicht möglich gewesen ist. Verzögert er eine Erbauseinandersetzung, könnte das Finanzamt die Steuerbefreiung versagen, wenn die Selbstnutzung erst nach Abschluss der zögerlich betriebenen Erbauseinandersetzung erfolgt. War von vornherein eine Eigennutzung des Familienheims durch den Erben nicht geplant oder – z. B. wegen beruflicher Gründe – nicht möglich, scheidet eine Steuerbefreiung aus.

 

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